25 Jahre Wiedervereinigung. 5 Jahre Unabhängigkeit für mich. Im Oktober 2011 kündigte ich spontan meinen Brotjob mit der vagen Hoffnung als freier Künstler ohne Sicherheitsnetz überleben zu können. Offiziell war ich einen Tag arbeitslos. Dann war ich plötzlich Poesie-Unternehmer und mein eigener Chef. Glücklicherweise bekam ich für die ersten Monate eine Startfinanzierung für Kleinunternehmer vom Staat. Aber ich hätte nicht überleben können ohne die selbslos Unterstützung vieler Freunde und Kollegen. Danke an Euch!
Juha Valkeapää & ich in Sysmä, Finland, 2011
Es war nicht ganz einfach. Man gerät schon in Stress wenn plötzlich die launische Diva Kunst für das tägliche Brot und die Miete sorgen soll. Kunst soll plötzlich ein Geschäft sein. Und ich mein eigener Chef. Das fiel mir schwer zu akzeptieren. Plötzlich bin ich für alle Entscheidungen ALLEINE verantwortlich. Sich alleine zu disziplinieren und organisieren ist auch eine Kunst, die ich bisher nicht gelernt hatte. Große Überraschung: als „Freier Künstler“ besteht ein Großteil meiner Arbeit in Verwaltung. Buchhaltung ist mein steter Albtraum. Die Zahlen sind nicht meine Freunde. Mein „Kreativ Raum“ ist kleiner als vorher.
Meine wunderbare Bühne im Museo Vostell, Malpartida de Caceres, Spain, 2011
Andererseits hab ich grandiose neue Erfahrungen gemacht, musste mich ständig auf neue Situationen und Anforderungen einstellen. Vorträge an indischen Musikhochschulen. Na klar. Workshops für finnische bildende Künstler. Na klar. Klangkompositionen zum Thema „Gärten“. Na klar. Abendfüllendes Soloprogramm in Mexiko. Na klar. Offen gesagt, hatte ich fast immer extremes Muffensausen und die Befürchtung, dass ich das nicht hinbekommen werde. Zu den tollsten Erfahrungen gehört auch, dass ich so eine unerwartet enge Bindung an Finnland entwickelt habe. Dank an den Filmemacher und Kurator Erkki Pirtola und die KONE Stiftung und viele andere Institutionen und Künstler dort.
Überrascht war ich auch, dass sich meine Projekte von der Literatur zunehmend in Richtung Intermedia verlagerten. Ich konnte im Bereich Performance, Klangkunst, Bildende Kunst, Neue Musik nicht nur performen sondern auch Vorträge, Seminare und Workshops halten.
Lecture-Performance an der SfD Schule für Dichtung, Wien, 2013.
Dank geht auch an „Poetry Slam“. Hier habe ich Bühnenpräsenz, poetische Dynamik und vor allem den Respekt vor dem Publikum gelernt.
Man sagt, dass die meisten Unternehmensgründungen spätestens nach 3 Jahren wieder tot sind. Ich lebe noch – cheers.
Mein „Independence Day“ auf einem Feld nahe Frankfurt, Oktober 2011